Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt!  
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Leipziger Volkszeitung

02. Oktober 2007

„Notfalls ziehen wir vor Gericht“

Privatisierungsgegner werben um Stadträte und pochen auf ihre Rechte

 

Die Bürgerinitiative „Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt“ hatte bis gestern 12 000 Unterschriften gesammelt. Nach Ansicht von Experten hat sie jetzt gute Chancen, ihr Ziel von 25 000 Unterschriften zu erreichen. Wie berichtet, will sie damit die Privatisierung von Stadtfirmen vereiteln. In der Initiative werden dafür verschieden Strategien diskutiert. In einem ersten Schritt soll der Teilverkauf der Stadtwerke verhindert werden.

„Wir gehen davon aus, dass wir unsere 25 000 Unterschriften noch vor der Abstimmung im Rat zusammenbekommen“, sagt Mitinitiator Mike Nagler. Obwohl Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) mittlerweile die geplante Verkaufssitzung des Rates vom 14. November auf den 12. Dezember verschoben hat, will die Initiative ihre Sammlung möglichst noch im November erfolgreich abschließen. „Wir bekommen jeden Tag Anrufe und Angebote von Bürgern, die für uns sammeln wollen“, beschreibt Mitinitiator und Schriftsteller Henner Kotte die Situation. Sogar Gehbehinderte würden im Büro an der Marschnerstraße 5 anklingeln, weil sie wollen, dass jemand bei ihnen vorbeikommt und sie unterschreiben können.

Trotz dieser Entwicklung kann derzeit niemand völlig ausschließen, dass die Unterschriftensammlung bei der Ratsentscheidung über den Anteilsverkauf der Stadtwerke keine Rolle spielen könnte. Der Grund: Die sächsische Gemeindeordnung schreibt vor, dass die Unterschriften vom Rathaus überprüft werden müssen, um auszuschließen, dass einzelne Privatisierungsgegner mehrfach unterschreiben oder Unterzeichner gar nicht in Leipzig wohnen. Die sächsische Gemeindeordnung räumt der Stadtverwaltung für diese Prüfung keinen festen Zeitraum ein – deshalb könnte es theoretisch geschehen, dass der Rat den Anteilsverkauf der Stadtwerke beschließt, noch während die Überprüfung läuft.

„Wenn uns am Abstimmungstag nur noch wenige Stimmen fehlen oder die Überprüfung läuft, müssten die Stadträte ihre Abstimmung eigentlich von sich aus aussetzen und abwarten, was die Überprüfung ergibt“, meint Mitinitiator Wolfgang Franke. Auch Henner Kotte sieht in diesem Fall die Stadträte in der Verantwortung. „Die meisten Abgeordneten sind ehrenamtlich tätigt“, sagt Kotte. „Für sie kann es doch nur von Vorteil sein, wenn wichtige Entscheidungen öffentlich hinterfragt werden.“ Die Initiative sucht deshalb Kontakt zu allen Ortsverbänden von CDU, SPD und FDP. „Wir bieten ihnen an, dass wir ihnen unsere Position erläutern“, sagt Mike Nagler. „Bislang haben wir ein sehr positives Echo.“ Gleichzeitig werde versucht, Stadträte für die Position der Initiative zu gewinnen. Die Ratsmitglieder sind allerdings in ihren Entscheidungen frei. Sie könnten also auch ungeachtet des laufenden Bürgerbegehrens einen Verkaufsbeschluss für die Stadtwerke-Anteile fassen und Oberbürgermeister Jung anschließend den Kaufvertrag mit einem Bieter unterschreiben lassen.

Die Initiative hat bereits erklärt, dass sie dann nicht aufgeben wird: Wenn der Privatisierungsbeschluss für die Stadtwerke nicht verhindert werden könne, werde sie ihn im Nachhinein anfechten, heißt es. Wie das in der Praxis funktionieren soll, ist allerdings strittig. Die Privatisierungsgegner sagen, dass sie noch geraume Zeit weiter Stimmen sammeln wollen – denn ihr Bürgerbegehren richtet sich nicht nur gegen den Verkauf der Stadtwerke, sondern auch gegen die Veräußerung anderer kommunaler Unternehmen wie der städtischen Holding LVV, der Wasserwerke, der Verkehrsbetriebe, der Stadtreinigung, des Krankenhauses St. Georg oder der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft.

Experten des Rathauses führen dagegen rechtliche Bedenken an. Ein Bürgerbegehren könne sich nur gegen einen formellen Ratsbeschluss richten – den es aber noch gar nicht gebe, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Deshalb könne trefflich darüber gestritten werden, ob die jetzt gesammelten Unterschriften wirklich als Votum gegen einen Privatisierungsbeschluss gewertet werden dürfen.

Ob die Privatisierungsgegner oder die Befürworter Recht haben, wird sich herausstellen, wenn die Unterschriften der Initiative im Rathaus geprüft sind und der Stadtrat anschließend über die Zulässigkeit des Begehrens entscheiden muss. „Dann stehen rechtliche Fragen im Vordergrund – zum Beispiel, ob der Text des Bürgerbegehrens mit dem geplanten und dann möglicherweise gefassten Ratsbeschluss übereinstimmt“, sagt Josef Fischer, Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen.

Die Privatisierungsgegner haben bereits angekündigt, dass sie das Verwaltungsgericht anrufen werden, wenn die Stadt bei der Anerkennung ihres Bürgerbegehrens Probleme machen sollte. „Notfalls ziehen wir vor Gericht“, erklärt Nagler.

Im Falle der Zulässigkeit ist anschließend innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid durchzuführen – wie eine Kommunalwahl mit Wahllokalen und Stimmzetteln. Bei ihm muss sich die Mehrheit, mindestens aber 25 Prozent der wahlberechtigten Leipziger, für die Aufhebung des Privatisierungsbeschlusses aussprechen. Das wären derzeit reichlich 100 000 wahlberechtigte Leipziger.

Andreas Tappert