„Wir brauchen einen strategischen
Partner, damit die Stadtwerke weiterhin erfolgreich wirtschaften und
wachsen können.“
Der Geschäftsbericht
der Stadtwerke von 2006 (vom 12.03.07, S.60) spricht davon, dass für 2007
ein Ergebnis auf dem Niveau von 2006 erwartet wird (54 Mio. €
Konzerngewinn) und für 2008 eine Ergebnisverbesserung erwartet wird. Es
ist erstaunlich, dass bei diesen Aussichten schon im November 2006 die
Entscheidung getroffen wurde, einen „strategischen Partner“ für die
Stadtwerke zu suchen.
Auch wenn das Umfeld
im Bereich der Energieerzeugung und –verteilung aufgrund der sich
ändernden Rahmenbedingungen (EU-Vorgaben und Gesetzgebung) sicher nicht
leichter wird und Risiken bestehen, begründet der OBM in keiner Weise,
warum die Aussichten für die Stadtwerke a)
in der Eigenständigkeit plötzlich so schlecht und b) mit einem
privaten Partner plötzlich so gut sein sollen.
„Die EU will klar den
Wettbewerb.“
Offenbar zielt diese
Aussage auf die bevorstehende „Anreizregulierung“ zur Kalkulation der
Netzdurchleitungsentgelte ab 2009. Vielleicht aber auch auf die mögliche
Zwangs-Trennung von Netzbetrieb und Energieerzeugung, welche die vier
Energie-Riesen in Deutschland hart treffen könnte. Diese Aussage ist
extrem unkonkret. Möglich, dass die Zeit der satten Kartellgewinne bald
vorbei ist. Die Entwicklung birgt Risiken für die Stadtwerke (die übrigens
nicht gerade zu den kleinsten in Deutschland zählen) – aber auch für die
möglichen privaten Partner.
„Die finanziellen Zwänge, ...
die Auflagen des Regierungspräsidiums“
Da wird das Problem wenigstens beim Namen
genannt. Leipzig hat eine Pro-Kopf-Verschuldung von 1827 EUR (2006) und
liegt damit immerhin unter dem Durchschnitt von 50 deutschen Großstädten.
Natürlich ist ein Entschuldungskonzept erforderlich. Aber verlangt das
Regierungspräsidium wirklich den Verkauf kommunalen Eigentums – zumal
profitabler kommunaler Unternehmen? Wo wurde das gefordert? Auf welcher
Grundlage kann das Regierungspräsidium solche Forderungen überhaupt
stellen? Was passiert, wenn man solchen Forderungen – vernünftigerweise –
nicht nachkommt?
Droht Leipzig wirklich
die Zwangsverwaltung, wie man immer wieder hört?
Welche alternativen
Konzepte zur Entschuldung wurden geprüft – zumal angesichts der offenbar
sich zum Besseren wendenden Steuersituation?
Schließlich ist auch
zu bedenken, dass nur ein Teil des geplanten Erlöses zur Schuldentilgung
eingesetzt werden soll, Leipzig wäre von der „Schuldenfreiheit“ also
trotzdem noch weit entfernt und müsste dafür weiterhin Zinsen zahlen, wenn
auch weniger als 40 Mio. € pro Jahr.
„Wir bleiben bei einem
Anteilsverkauf Herr im eigenen Haus.“
Die Frage, wie
man „Herr im eigenen Haus“ bleibt - mit einem Partner, der 49,9% der
Geschäftsanteile bei den Stadtwerken besitzt - ist offen. Denn zumindest
wird gegen diesen Partner keine Entscheidung getroffen
werden können. Alles hängt von der Zustimmung dieses Partners ab. Falls
überhaupt entsprechende Vereinbarungen hinsichtlich der Entwicklung und
Strategie der Stadtwerke im Kaufvertrag festgeschrieben werden, ist völlig
unklar, wie Entscheidungen gegen einen Anteilseigner mit Vetorecht
durchgesetzt werden können, wenn dieser es sich einmal „anders überlegt“.
Es gab in der Vergangenheit Beispiele dafür. Selbst wenn im Vertrag
entsprechende Regelungen getroffen werden, ist fraglich, wie deren
Einhaltung – einem „global player“ gegenüber - kontrolliert und
sanktioniert wird.
Der weitere Ausbau
eigener regenerativer Energieerzeugungskapazitäten zum Beispiel erscheint
nicht eben interessant für Energiekonzerne, die selbst mit abgeschriebenen
Atomkraftwerken billigst Strom erzeugen können. Wie wird man dann
nachhaltige regionale Energiewirtschaft fördern und treiben können?
„Beim eventuellen Verkauf
von LVV-Anteilen geht es nicht um das operative Geschäft der
Daseinsvorsorge.“
Sinngemäß behauptet
der OBM, dass bei einem Verkauf von LVV-Anteilen (der natürlich erst noch
reiflich geprüft wird, wie er zusichert) ja nicht das operative Geschäft
z.B. der Wasserwerke verkauft würde, sondern ein Partner „nur Anteile der
Holding“ erwirbt.
Mag sein, dass sich
der private Teilhaber nicht direkt in das operative Geschäft der
Wasserwerke einmischt. Aber er würde mit dem Kauf von Anteilen der
Muttergesellschaft doch auch Mit-Eigentümer der Wasserwerke,
Verkehrsbetriebe und Stadtwerke.
Und wenn ihn nicht das
operative Geschäft interessiert, dann doch wohl der Gewinn, den selbiges
abwirft. Das ist schließlich der Grund für sein finanzielles Engagement.
Und genau das wollen wir nicht: Die
Unterwerfung von notwendigen Einrichtungen der Daseinsvorsorge unserer
Stadt unter private Gewinninteressen.
„Kein Beschäftigter muss um
seinen Arbeitsplatz fürchten.“
Es ist richtig, dass
mit den Gewerkschaften eine Vereinbarung über Beschäftigungssicherung über
acht Jahre geschlossen wurde. Es wird potentiellen Investoren auch relativ
leicht fallen, sich daran zu halten, weil die betreffenden Unternehmen
bereits sehr effizient arbeiten und weiterer Arbeitsplatzabbau ohne
Gefährdung der Geschäftstätigkeit kaum möglich erscheint. Nach dieser Zeit
ist aber offen, ob es nicht Bestrebungen des privaten Teilhabers geben
könnte, „Synergieeffekte“ zu nutzen – sprich: auszulagern, zusammenzulegen
etc. Dies könnte den Belegschaften auch nicht erspart bleiben, wenn die
Stadtwerke und anderen Unternehmen vollständig im Eigentum der Stadt
bleiben – aber dann würde die Stadt allein darüber entscheiden, unabhängig
von Renditeinteressen eines privaten Partners.
„Ich werde den Teilverkauf
dem Stadtrat nur dann vorschlagen, wenn weiter die Querfinanzierung [des
ÖPNV] wirtschaftlich darstellbar ist.“
Darauf sind wir
gespannt. Denn wir haben noch nichts Konkretes dazu gehört. Wie die
konkrete Finanzierung der LVB ohne den hälftigen Gewinn der Stadtwerke
bewerkstellig werden kann, ist nach unserer Kenntnis noch nicht dargelegt
worden.
„Und kein Gegner der
Privatisierung hat mir bislang erklärt, was er als Alternative auf dem
Tisch hat.“
Das sehen wir vor
allem als Ihre Aufgabe an, Herr Oberbürgermeister - beziehungsweise die
unserer Kommunalpolitiker, ob Stadtrat oder Bürgermeister.
Und dafür gab und gibt
es auch bereits Ideen und Vorschläge, zum Beispiel von verschiedenen
Fraktionen des Stadtrates. Sie wurden nur nicht ernsthaft diskutiert.
Nachhaltige Haushaltspolitik kann nicht durch substantielle Verkäufe
ersetzt werden.
Es ist nicht akzeptabel, wenn „Finanzlöcher“
von einer Stelle zur anderen geschoben und eine Form der Daseinsvorsorge
(Energieversorgung, Wasser, Nahverkehr) gegen eine andere (z.B.
Kindertagesstätten und Schulen) ausgespielt wird!
Es
geht nicht um Tafelsilber, sondern um das Geschirr, von dem wir täglich
essen!
Privatisierung ist keine Alternative, um die finanziellen Probleme der
Stadt zu lösen! |